„Die meisten Menschen überschätzen, was sie in einem Jahr erreichen können, und unterschätzen, was sie in zehn Jahren erreichen können.“
Anonym
Ich stolperte immer wieder über diesen Spruch, während ich in Ratgebern schmökerte oder in den sozialen Medien unterwegs war. Irgendwie irritierte er mich. Wenn ich mir ein Ziel setze, dann möchte ich es doch möglichst schnell erreichen. Die Weisheit, die dieser Satz beinhaltet, wurde mir erst vor ein paar Wochen klar.
Auslöser war der Anruf einer Bekannten, die mich um etwas Input bei einem ihrer Pferde bat. Ich kenne die Frau und ihren Mann schon seit ein paar Jährchen und habe immer wieder mit ihren Pferden gearbeitet. Das letzte Mal war aber doch sicher drei Jahre her und so freute ich mich umso mehr auf unser nächstes Treffen.
Dieses Mal ging es um ein Pferd, das immer schreckhafter geworden war und in seiner Angst seine Besitzer fast umrannte. Während meines ersten Besuchs tat ich eigentlich nichts. Ich hielt das Pferd am lockeren Strick und wir standen nur so da und schauten uns gemeinsam die Umgebung an. Ich ließ ihn wissen, dass ich wahrnahm, dass er sich Sorgen machte und dass ich die Objekte, die ihm Angst machten, zwar sah, aber für unbedenklich hielt. Wir übten zusammen, tief zu atmen und Spannungen in unserem Körper loszulassen. Er entspannte, er blinzelte, fing an, sein Maul zu bewegen und ließ seinen Kopf etwas sinken.
Als ich nach Hause fuhr, reflektierte ich, wie sich meine Art, mit Pferden umzugehen, in den letzten Jahren verändert hatte. Als ich das Ehepaar kennenlernte, arbeitete ich noch mit Roundpen-Methoden. Tatsächlich waren die beiden verantwortlich dafür, dass ich dann eine ganz andere Richtung einschlug. Meine Bekannte organisierte nämlich einen kleinen Kurs mit Anke Recktenwald auf ihrem Hof und ich nahm mit meiner Haflinger-Stute teil. Es war als Reitkurs gedacht, aber es hat in Strömen geregnet. Wir erhielten trotzdem wunderbaren Reitunterricht zwischen den Regengüssen, aber in der restlichen Zeit machten wir Feldenkrais-Lektionen und ich lernte zum ersten Mal ein paar TTouches. Ich muss sagen, zu diesem Zeitpunkt haben sie mich nur begrenzt interessiert, erst neun Monate später bin ich ihrem Zauber verfallen.
Sobald ich nun von meinen Bekannten zuhause war, schaute ich in meinen Unterlagen nach, wann genau dieser Kurs stattgefunden hatte. Und siehe da! Es war ZEHN JAHRE HER! Es fiel mir schlagartig ein, was alles in diesen zehn Jahren passiert ist. Ich lernte erstmals die Tellington TTouch® Methode kennen, nach dreieinhalb Jahren Training wurde ich selbst Practitioner, inzwischen bin ich sogar im Level 2. Ich habe, dank der großartigen Lehrer und Lehrerinnen der Methode, und natürlich dank Linda selbst, so viel mehr als nur Techniken gelernt. Ich habe erfahren, dass man eine wunderschöne Verbindung zu Pferden aufbaut, wenn man ihnen mit Verständnis begegnet und ihr Vertrauen gewinnt. Ich lernte mehr über das Nervensystem des Pferdes und wie es Verhalten steuert. Nachdem meine Sinne auf diese Qualitäten aufmerksam geworden waren, fand ich sie in anderen Bereichen meines Lebens wieder. Ich begeisterte mich für Feldenkrais und erkannte, dass alle Teile im Körper harmonisch miteinander verbunden sind. Diese Erkenntnisse, zusammen mit neuem Wissen über die Anatomie von Pferd und Mensch, beeinflussten meinen Reitunterricht.
Doch natürlich war es nicht nur Theorie, die ich erfuhr. Ein altes Zenwort besagt: „Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Lehrer.“ Und sie kamen, meine vierbeinigen Lehrer.
Es ist spannend, dass diese Entwicklung einfach passiert ist, und nicht als Resultat von irgendwelchen Vorsätzen, die ich mir ausgedacht habe. Ich war auch nicht unbedingt „auf der Suche“ nach irgendwas. Es war ein Geschenk des Universums, wenn man es so sehen möchte. Tatsächlich habe ich viele meiner früheren Ziele und Vorhaben komplett über Bord geworfen, weil sie nicht mehr zu mir passten. In diesem Sinn bin ich neugierig auf die nächsten zehn Jahre und wie mein Leben sich entwickeln wird.