Als ich sieben Jahre alt war, zog meine Familie wegen der Arbeit meines Vaters in die Schweiz. Für meine Schwester und mich war es ein großes Abenteuer und noch bevor die Reise losging, freuten wir uns riesig darauf. Meine Eltern engagierten in der Zeit vor dem Umzug eine Lehrerin, die uns die deutsche Sprache spielerisch vorstellen sollte. Ich kann mich noch an die lebensgroße, in bunten Farben gezeichnete Figur „Herr Regenbogen“ erinnern, der uns die ersten Vokabeln vermittelte. In der Schweiz finanzierte die Firma meines Vaters den Besuch einer amerikanischen Privatschule, in der wir nach unserer Ankunft Mitten im Semester anfingen. Ich war ein eher schüchternes Mädchen, aber ich fühlte mich, bewaffnet mit den Fremdwörtern „blaue Augen“ und „schwarze Schuhe“, dem ersten Schultag mehr als gewachsen.
Dann kam der Knaller. Die allererste Schulstunde an diesem Tag war die Fremdsprache FRANZÖSISCH. Die Kinder mussten wahrscheinlich nicht mehr als ein paar Strophen von Frère Jaques singen, aber das erfuhr ich schon gar nicht mehr. Eine starke Panik breitete sich in mir aus. Ich verstand nicht nur die SPRACHE nicht, sondern auch DIE WELT nicht mehr. Ich kündigte die Mitarbeit, floh das Klassenzimmer und versteckte mich tränenüberströmt im Vorraum. Ich kam erst wieder raus, als Englisch auf dem Stundenplan stand; geschrieben habe ich schon immer gerne.
Was hat diese Geschichte mit Pferden zu tun? Nun, jedes Mal, wenn wir mit Pferden interagieren, treffen zwei Spezies aufeinander. Egal, wie sehr wir uns bemühen, wir bewegen uns nicht wie Pferde und Pferde können nicht laut reden. Wir sprechen sozusagen verschiedene Sprachen. Irgendwie müssen wir trotzdem eine gemeinsame Basis für die Kommunikation finden. Folgender Vergleich bietet sich an: Würden sich eine Portugiesin und eine Polin in Italien treffen, würden sie wahrscheinlich Englisch miteinander sprechen, weil sie beide es in der Schule gelernt haben.
In den letzten Tagen grübelte ich wieder einmal über die Unterschiede zwischen der heutigen Pferdewelt nach und der, in der ich aufwuchs, nachdem wir wieder nach England zurückgekehrt waren und ich mein erstes Pferd bekommen hatte. (Habt bitte ein bisschen Geduld mit mir, irgendwann komme ich doch zum Punkt.)
In England gab es damals wenig Westernreiter und Gangpferde waren Exoten. Alle Pferde wurden in einer ziemlich ähnlichen Manier angeritten, bevor sie eine spartenspezifische Weiterbildung bekamen. Erst Jahre später wurde Monty Roberts von der Queen eingeladen, um seine Trainingsmethode zu demonstrieren. Ungefähr zur gleichen Zeit hörte ich dann auch zum ersten Mal von Pat Parellis Natural Horsemanship.
Im Großen und Ganzen hatten wir es damals also einfach mit der englischen Reiterei zu tun. Unsere Bibel war „The Pony Club Manuel of Horsemanship“. Welche Gabel man zum Ausmisten der Box nehmen sollte, mit welchen Mitteln man verschmutztes Leder putzt, wie man vom Pferd aus ein Tor öffnet oder mit einem Handpferd richtig aufsteigt … für alles Erdenkliche gab es strikte Regeln und Protokolle. Wenn man erwachsen wurde, übernahm der große Bruder „The British Horse Society“ die Ausbildung. Für die Amateure gab es die Riding Clubs, für die, die einen Beruf mit Pferden anstrebten, verschiedene „Stages“ oder Stufen.
Es war eine normale Sache, dass man als Kind aus seinem heißgeliebten Pony (meistens irgendein Welsh Pony) einfach rauswuchs und es irgendwann durch ein neues, größeres Modell ersetzt werden musste (New Forest oder – super sportlich – ein Connemara). Die kleineren Pferde zogen selten weit weg. Gute Ponys waren Gold wert und Mundpropaganda sorgte dafür, dass sie oft an eine benachbarte Familie verliehen wurden, deren Kinder den gleichen Pony Club besuchten.
Der Punkt ist, es gab ein System. Pferde konnten sich weitgehend darauf verlassen, dass sie in ihrem neuen Zuhause weiterhin ähnlich gehalten und trainiert wurden wie bisher. Die Sprache und Kultur waren, wenn man so mag, dieselbe. Heute gibt es sooo viele Trainingsmethoden, z.B. das Clickern, die verschiedenen Arten von Horsemanship, und ja, auch Tellington TTouch®Training. Es gibt Légèreté, die akademische Reitkunst, Vertikal, Western Dressage und, und, und … . Was ist, wenn ein Pferd, das mit einem System trainiert wurde, verkauft wird und der neue Besitzer oder die neue Besitzerin einen völlig anderen Ansatz hat? Das könnte ein Pferd durchaus verwirren und auch zu einer emotionalen Reaktion führen. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht gegen die Methoden per se, im Gegenteil, die meisten helfen Pferd und Reiter. Mir geht es darum, was passiert, wenn das Pferd sich nicht auskennt.
Ich erlebte Pferde, die mit Futterlob trainiert wurden (mal geschickt und mal weniger geschickt). Dann hörten die Besitzer auf mit dem Clickern, weil es zu mühsam oder zu kompliziert wurde oder weil es einfach ganz viel Können erfordert. Die Pferde wurden frustriert und sauer. Es war gar nicht einfach, wieder ein bisschen Freude in ihr Training zu bekommen.
Ebenso arbeitete ich mit Pferden, die dazu gedrillt wurden, immer hinter einem Menschen zu gehen. Dann wollte die neue Besitzerin Longen- und Handarbeit machen, wobei das Pferd auf Schulterhöhe gehen sollte. Bei einigen löste das eine solche Angst vor einer Bestrafung aus, dass sie defensiv mit Schnappen reagierten. Leider wird das Pferd in dieser Situation sehr oft einfach als respektlos abgestempelt.
Die Lösung? Ich denke, es gibt keine Universallösung. Es geht darum, einen Weg zu finden, mit dem Pferd und Besitzer oder Besitzerin leben können. Diesen Weg zu finden, ist ein großer Bestandteil meiner Einzeltrainings. Als Nachsatz möchte ich euch diese Anregung mitgeben: Die meisten Leser und Leserinnen wünschen sich, dass ihre Pferde lebenslang bei ihnen bleiben. Bedauerlicherweise kommt das Leben manchmal dazwischen und man kann das Pferd nicht behalten. Tut eurem Pferd einen Gefallen und trainiert es nicht mit einer sehr exotischen Methode, die sonst niemand kennt. Um bei unserer Metapher zu bleiben - bringt ihm nicht Suaheli bei, sondern eine Sprache, für die man leicht einen Übersetzer finden kann.