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Losgelassenheit

Am zweiten Platz auf der Skala der Ausbildung steht die Losgelassenheit. Sie wird in die physische und psychische Losgelassenheit unterteilt. Manchmal wird dadurch der Eindruck erweckt, dass die beiden separate Eigenschaften wären. Dass sie aber untrennbar verbunden sind, zeigt die folgende kleine Geschichte.

 

Ich arbeitete mit einer Schülerin und ihrer jungen, ziemlich rundlichen Stute. Obwohl der neue Sattel professionell angepasst worden war, rutschte er manchmal zu einer Seite. Den Gurt mega-fest zuzuschnüren, war keine Option, weil die Stute empfindlich war. Ich unterrichte die Dame auch auf ihrem anderen Pferd und wusste daher, dass Reiterschiefe nicht die Ursache war. Das Pferd lief noch nicht so lange unter dem Sattel und war logischerweise noch schief, aber nicht so schief, dass es Rutschen in diesem Ausmaß verursachen konnte. Ganz ehrlich, ich hatte deshalb schon den Sattel im Verdacht. (Ja, der Pferderücken war in Ordnung!)

 

An diesem Tag rutschte der Sattel schon gleich nach dem behutsamen Aufsteigen. Es kam zu einem Teufelskreis: Die Stute schritt hektisch herum, der Sattel rutschte, die Reiterin wurde schief, belastete den Pferderücken ungleich, das Pferd lief irgendwohin, nur nicht geradeaus, beim Versuch, den Sattel gerade zu richten oder mit den Zügeln zu korrigieren, wurde die Stute noch hektischer und so ging es dahin.

 

Nach ein paar Minuten wurde mir das Ganze zu brenzlig und ich entschied, dass dieses Paar „Bodenpersonal“ brauchte. So nenne ich es, wenn jemand ein junges Pferd vom Boden aus begleitet, sodass der Reiter oder die Reiterin möglichst passiv bleiben kann und sich das Pferd nur auf das Ausbalancieren konzentrieren muss. Mehr dazu in einem anderen Beitrag. Sobald ich anfing, neben der Stute zu gehen, seufzte sie richtig tief und von diesem Moment an blieb der Sattel gerade und die Stute gelassen.

 

 

Was war passiert? Aus welchem Grund auch immer war die Stute angespannt und hielt die Luft an. Es gibt viele knorpelige Verbindungen zwischen den Rippen und der Wirbelsäule und so hatte der festgehaltene Brustkorb Auswirkungen auf den Rücken. Verspannungen sind selten symmetrisch und dadurch wurde die natürliche Schiefe intensiviert. Der Sattel rutschte. Als die Stute sich entspannte und durchatmete, lockerte sich das Ganze, die Schiefe wurde weniger, der Sattel blieb gerade und die Stute wurde ruhiger. Ein angenehmerer Kreislauf!