Komische Aussage, oder? Wer freut sich nicht, wenn das Pferd zum Tor kommt und uns vielleicht sogar entgegenwiehert? Auch mein Herz geht dabei auf! Warum freue ich mich also trotzdem, wenn mein Pferd nicht sofort kommt?
Ich sehe es so:
Im Verhältnis verbringen wir viel mehr Zeit mit zum Beispiel unseren Hunden als mit unseren Pferden, weil wir mit erstgenannten meistens unter einem Dach wohnen. Pferde hingegen leben die meiste Zeit ohne uns. Wenn sie Glück haben, können sie artgerecht zumindest mehrere Stunden am Tag mit Artgenossen verbringen.
Freizeitreiter haben meistens ein buntes Leben zu managen: Job, Kinder und andere Hobbys sorgen dafür, dass wir es oft nicht schaffen, immer um die gleiche Zeit im Stall zu sein. Es könnte sein, dass dein Pferd genau in dem Moment, in dem du unerwartet auftauchst, ein besonders schmackhaftes Stück Heu aus der Raufe erwischt hat. Oder es döst gerade zusammen mit seinem Freund in der Sonne.
Es gab Zeiten, in denen die Unterbringung meines Pferdes nicht optimal war – die Herdenkonstellation hat nicht gepasst, es gab untertags zu wenig Heu, die Koppel bot zu wenig Abwechslung – dann schrie meine Stute mir förmlich entgegen, wenn ich ankam und forderte mich auf, sie aus der Koppel zu nehmen.
Jetzt ist es tagesabhängig: Meine Stute lebt inzwischen in einer netten kleinen Herde und ist scheinbar sehr zufrieden. Mal kommt sie sofort zum Tor, wenn sie meine Stimme hört, mal nicht. (Wenn eine neue Weide eröffnet wird, dann kann ich garantieren, dass sie nicht kommt!) Wenn sie mir nicht gleich entgegenmarschiert, nehme ich es nicht persönlich. Ich freue mich, dass es ihr in ihrer Herde gut geht. Dann gehe ich in ihre Richtung, aber bleibe ein paar Meter entfernt von ihr stehen. Und warte. Manchmal dauert es sogar fünf Minuten, bis sie fertig mit dem ist, was auch immer sie gerade macht. Und in 95 Prozent der Fälle kommt sie dann auf mich zu.
P.S.: Was ich geschrieben habe, gilt unter Vorbehalt. Wir sollten trotzdem immer wachsam sein, wenn ein Pferd sich regelmäßig und scheinbar ohne Grund (wie eine neue Weide) aktiv von uns distanziert - besonders, wenn das ein neues Verhalten ist. Dann wäre es ratsam, die Zusammenarbeit zu überprüfen und genauer hinzusehen: Ein verändertes Verhalten ist auch oft das erste Anzeichen von Schmerz.